Streit um EU-Posten: Sozialdemokraten wollen Parlamentsabstimmung
Die europäischen Sozialdemokraten wollen den Streit um den Posten des künftigen EU-Kommissionspräsidenten über ein Votum im EU-Parlament lösen. Idee sei es, in der ersten Juli-Woche im neuen Europaparlament eine Abstimmung über die Kandidaten zu organisieren, sagte der neue stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bernd Lange am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.
Derjenige Kandidat, der aus dem pro-europäischen Lager die meisten Stimme erhalte, solle dann Nachfolger von Jean-Claude Juncker als Kommissionschef werden können.
Nach Einschätzung des SPD-Politikers Lange könnte dieses Verfahren zeigen, dass der sozialdemokratische Spitzenkandidat Frans Timmermans im pro-europäischen Lager mehr Unterstützer hat als der Spitzenkandidat der europäischen Christdemokraten, Manfred Weber (CSU). Zum pro-europäischen Lager gehören neben den Christdemokraten und Sozialdemokraten auch Liberale und Grüne.
Die Grünen-Fraktionschefin Ska Keller äußerte sich allerdings skeptisch. "Ich glaube, es ist ein Problem der Sozialdemokraten, dass sie immer denken, wir sind eh schon in deren Tasche", sagte die deutsche EU-Spitzenpolitikerin. Natürlich sei man den Sozialdemokraten näher als der christdemokratischen Parteienfamilie EVP. Voraussetzung für die grünen Stimmen sei aber, dass ein Kandidat - egal welcher - sage, was er bei Themen wie Klimaschutz, Rechtsstaatlichkeit und Flüchtlingsrechte konkret ändern wolle.
Timmermans habe zwar auf offener Bühne erklärt, er wolle mit den Grünen und Linken eine tolle Allianz schmieden. Seit dem Tag der Europawahl habe er allerdings nichts mehr von sich hören lassen. "Für uns Grüne hängt alles völlig von Inhalten ab", sagte Keller. Einfach nur eine Abstimmung organisieren zu wollen, sei "schräg".
Die Christdemokraten um den CSU-Politiker Weber waren bei der Europawahl zwar stärkste Partei geworden. Für die Wahl des Kommissionspräsidenten im Europaparlament braucht es aber eine absolute Mehrheit der Stimmen, die sie nicht haben.
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten berieten am Donnerstag bei einem Gipfeltreffen in Brüssel über die Juncker-Nachfolge. Sie haben offiziell das Vorschlagsrecht für den Posten des Kommissionspräsidenten.
Der SPD-Politiker Lange sagte zu den Gipfel-Diskussionen, für die Sozialdemokraten sei es ausgeschlossen, einen Kandidaten zu wählen, der bei der Europawahl Ende Mai nicht als Spitzenkandidat angetreten sei. "Das Prinzip der Spitzenkandidaten ist ein Stück Demokratie, das wir uns nicht nehmen lassen."
Lange spielte damit unter anderem auf Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an. Der zum liberalen Lager zählende Politiker hatte zuletzt mehrfach deutlich gemacht, dass er sich auch einen Kommissionspräsidenten vorstellen kann, der bei der Europawahl nicht als Spitzenkandidat angetreten ist.