Bericht über die Veranstaltung „Gute ARBEIT – für ALLE?“
mit SPD-Bundestagskandidatin Svenja Stadler und Hubertus Heil (MdB), Mitglied des SPD-Parteivorstandes
Im gut gefüllten Saal des Helbach Hauses konnte SPD-Ortsvereinsvorsitzender Andreas Rakowski SPD-Bundestagskandidatin Svenja Stadler und mit Hubertus Heil einen profunden Kenner der Bereiche Arbeit und Wirtschaft begrüßen.
Nach einer Begrüßung und einführenden Worten zu einigen aktuell in der Diskussion stehenden Aspekten der Arbeitsmarktpolitik wie Mindestlohn, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Leiharbeit gab Svenja Stadler das Wort an Hubertus Heil zu seinem Referat „Für eine gerechte Ordnung am Arbeitsmarkt“.
Deutschland sei, so Heil, bezüglich der Entwicklung von Arbeitsmarkt und Wirtschaft besser aus der Wirtschaftskrise herausgekommen als der Rest von Europa. Dies verdanke es den arbeitsmarkt- und konjunkturpolitischen Maßnahmen der Vorgängerregierung von Schwarz-Gelb und insbesondere auch der Arbeit von Olaf Scholz, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück. Tragendes Element der wirtschaftlichen Robustheit Deutschlands sei, dass, anders als in manch anderen europäischen Ländern, die Wertschöpfungskette in Deutschland – also der Weg Produktion, Handel und Dienstleistungen bis zum Konsum – gut erhalten sei.
Angesichts der immer noch vorhandenen wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen und der weiterhin und wieder betriebenen Zockerei an den Finanzmärkten sieht Heil vier große Trends für die Zukunft.
Zum einen herrsche eine hohe internationale Verflechtung der Wirtschaft; sechzig Prozent der deutschen Exporte gingen in europäische Länder, also sei der Einfluss dieser Länder auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland enorm. Mit Sparauflagen alleine seien deren Wirtschaften nicht in Ordnung zu bringen und auch die hohe Jugendarbeitslosigkeit dort nicht zu beseitigen. Was Not tue, seien private und öffentliche Investitionen.
Als zweiten Trend machte Heil den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt aus. Ein Land wie Deutschland müsse insbesondere in Forschung investieren.
Weiterhin sei die Ressourcenknappheit ein Zukunftsthema. Insbesondere gelte das für die Energieversorgung. Hier habe die schwarz-gelbe Bundesregierung aus der Chance, erneuerbare Energien einzusetzen, ein Risiko geschaffen - nicht zuletzt zu erkennen an der Entwicklung der Strompreise.
Und schließlich sei speziell in Deutschland die Veränderung des Altersaufbaus unserer Gesellschaft eine Herausforderung, der wir uns auch auf dem Arbeitsmarkt stellen müssten.
In Deutschland herrsche einerseits Fachkräftemangel; andererseits gebe es prekäre Arbeitsverhältnisse und viel Unsicherheit, so Heil. 25 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland verdienten weniger als 8,50 Euro in der Stunde. Manche Unternehmen hätten das „Aufstocken“ – das Zahlen von geringem Lohn und das „Auffüllen“ bis zum Existenzminimum durch die Arbeitsbehörden – zum „Geschäftsmodell“ entwickelt; dies zahle letzten Endes der Bürger, und darüber hinaus würden geringe Entlohnungen in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung fehlen. Die von CDU und Kanzlerin Merkel propagierte Lohnuntergrenze sei eine „Placebo-Lösung“, da sie für tariffreie Bereiche gelte, also für Bereiche, die von den Tarifparteien nicht abgedeckt würden. Nach diesem Modell seien die 3,80 Euro für Friseure in Thüringen, die durch den Tarifvertrag abgedeckt seien, für die CDU wohl in Ordnung.
Auch die Arbeitnehmerüberlassung, Zeit- und Leiharbeit sei ein Ansatz zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation. Er sei kein Gegner von Leiharbeit, sagte Heil; Zeit- und Leiharbeit sei aber ein Einfallstor für Lohndrückerei geworden. Er fordere gleichen Lohn für gleiche Arbeit und die Begrenzung von Leiharbeit auf ein Jahr.
Weitere Punkte, die es zu regeln gelte, seien der Missbrauch von Werkverträgen, mit denen die Arbeitnehmer als sogenannte „Scheinselbständige“ aus dem sie schützenden Arbeitsrecht herausgedrängt würden. Bei Minijobs wüssten die meisten Beschäftigten gar nicht, welche Rechte – wie zum Beispiel Sozialversicherung – ihnen zustünden; Minijobs im gewerblichen Bereich lehne er ab, aber im häuslichen Bereich funktionierten sie gut.
Mit dem veränderten Altersaufbau der Gesellschaft würden insbesondere die Pflegeberufe ins Augenmerk rücken; die Bezahlung in den Pflegeberufen sei immer noch zu gering, und die Wertschätzung dieses Berufszweiges sei mangelhaft.
Welche Ansätze zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation gibt es? Hubertus Heil nannte Potenziale, die es im eigenen Land zu heben gelte:
Der Arbeitsanteil der Frauen ließe sich steigern; zwar sei die Erwerbszahl bei den Frauen gestiegen, aber dies gelte nicht für die geleisteten Arbeitsstunden – auch eine Folge der schlechten Kinderbetreuungssituation. Viele Frauen seien in Minijobs und Teilzeit beschäftigt. Weiterhin müssten Frauen bei der Bezahlung Männern gleich gestellt werden – gleicher Lohn für gleiche Arbeit auch zwischen Männern und Frauen. Nächster Ansatzpunkt seien die Jugendlichen: Schulabschlüsse und berufliche Ausbildung verbesserten die Chancen im Beruf. Die Förderung müsse bereits bei den Kindern beginnen. Daher müsse das Betreuungsgeld weg. Auch das Kooperationsverbot in der Bildung, das eine gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern verhindere, müsse fallen. Und schließlich müsse auch im Bereich der älteren Arbeitnehmer angesetzt werden; hier gelte es, die Weiterbildung zu fördern und die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten.
In der regen Diskussion wurden die verschiedenen Aspekte des Arbeitsmarktes vertieft – Leiharbeit, befristete Arbeitsverträge, Werkverträge, Mindestlohn, Vermittlung von Arbeits- und Tarifvertragswissen bereits in der Schule und die Situation in den Pflegeberufen – Hubertus Heil erwies sich nicht nur als hervorragender Fachmann, sondern konnte auch die Themen überzeugend vermitteln und damit zu einer gelungenen Veranstaltung beitragen.